07-02-2012 - Auf den Kanaren sind wieder einmal alle Fenster geschlossen. Autos und andere Gegenstände im Freien sind mit einer ockerfarbenen Staubschicht bedeckt. Die Sicht ist stark getrübt.
Was ist los auf den „Inseln des ewigen Frühlings“? Vermutlich herrscht Calima!
Mit ihren angenehmen Temperaturen sind die Kanarischen Inseln ein beliebtes Reiseziel geworden. Zu verdanken haben sie diesen Umstand ihrer günstigen Lage im Atlantischen Ozean. Der Kanarenstrom, eine kühle bis mäßig warme Meeresströmung im nordöstlichen Atlantik, reguliert das Klima. Er ist ein Teil des Golfstroms. Trifft dieser auf Europa, wird Wasser in südliche Richtung abgelenkt, also auch in Richtung Kanaren. Dieses Wasser ist etwas kühler als das Oberflächenwasser der Umgebung, hat also einen abkühlenden Effekt auf die Kanaren. Das verhindert, dass auf den Inseln heiße Temperaturen wie beispielsweise im nahe gelegenen Marokko herrschen. Nicht ganz so angenehm ist das Klima allerdings bei Calima. Die Calima ist eine typische Wetterlage mit Ostwind auf den Kanaren.
Das Besondere daran: Es gibt kein Instrument, um dieses meteorologische Phänomen zu messen. Seine Anwesenheit wird allein dadurch bemerkbar, dass winzig kleine Staubpartikel in der Luft die Sicht trüben, als würde ein matter Schleier über den Inseln liegen.
Damit diese spezielle Wetterlage eintreten kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zuerst muss in der Mittel- oder West-Sahara-Region beziehungsweise in der Sahelzone, die sich vom Wüstengebiet der Sahara bis zur Feucht- beziehungsweise Trockensavanne Afrikas erstreckt, Staub aufgewirbelt werden. Dies geschieht durch starken Wind am Boden, der entweder durch Gewitter oder durch ein Tiefdruckgebiet erzeugt wird. Heiße, aufsteigende Luft transportiert den Staub dann in Höhen, in denen er über große Strecken vom Wind verfrachtet werden kann. Herrscht starker Südost- oder Ostwind, kann es der Staub auf diese Weise bis zu den Kanaren schaffen.
Calimaphasen dauern meist nur wenige Tage, manchmal aber auch Wochen, und bringen trockene, heiße Luft und feinen Sandstaub mit sich. Das kann so weit gehen, dass die Sicht bis auf einen Kilometer eingeschränkt ist und die Luft so stark getrübt wird, dass sogar der Flugverkehr behindert wird. Zusätzlich wird die Luftfeuchtigkeit verringert, und die Temperaturen steigen rasant an – tagsüber kann das Thermometer, bedingt durch die heißen Winde aus der Sahara, auf bis zu 45°C klettern, nachts bleibt es mit bis zu 35°C immer noch sehr heiß. Menschen leiden nicht nur unter der Hitze, sondern vor allem darunter, dass der Staub die Atemorgane stark reizt.
Auch die Natur kann unter der Calima leiden. Aufgrund der Kombination aus starkem Wind und heißer Luft nimmt die Vegetation insbesondere im Zeitraum von Juni bis September starke Schäden. Auf bewaldeten Inseln besteht zudem erhöhtes Waldbrandrisiko. So wüteten 2007 auf Teneriffa Waldbrände, die nur sehr schwer zu bekämpfen waren: der heiße Wüstenwind entfachte bereits gelöschte Brandherde immer wieder neu.
Calima kann auch für Zugvögel schlimme Folgen haben. Der Wind ist so stark, dass sie nicht dagegen ankommen und von ihrer Flugbahn abgetrieben werden können. Vögel, die dieses Schicksal ereilt, sterben größtenteils an Entkräftung. Auch Heuschrecken können auf diese Weise auf die Kanaren getrieben werden wie beispielsweise 2004, als eine regelrechte Heuschreckenplage Lanzarote heimsuchte.
Häufig wird geglaubt, die Begriffe „Calima" und „Scirocco" könnten synonym verwendet werden. Das stimmt jedoch nicht, denn hinter dem Scirocco verbirgt sich ein heißer Saharawind, während die Calima keinen Wind, sondern eine Wetterlage bezeichnet.
Aus Süden bis Südosten weht der Scirocco im Frühjahr, frühen Sommer und Herbst Richtung Mittelmeer. Über Afrika ist er sehr trocken, nimmt über dem Mittelmeer dann Feuchtigkeit auf, die unter bestimmten Umständen in den europäischen Mittelmeerländern abregnet.
Der Scirocco ist einer der Winde, die den feinen Sandstaub aus der Sahara auf die Kanaren hinüberwehen können und ist somit nicht das Gleiche wie die Calima, aber eng mit ihr verknüpft.